Molkerei-CEO setzt auf Personal, das über 60 Jahre alt ist
Roberto Brazzale, Geschäftsführer der italienischen Molkerei Brazzale, stellt für ein Projekt nur Arbeitskräfte ein, die über 60 Jahre alt sind, und deutet damit auch auf ein wichtiges Problem hin.
Roberto Brazzale nennt sein Team „eine echte Goldgrube“. Der Anwalt und Betreiber einer der ältesten Molkereien in Italien hat kürzlich mit einer ungewöhnlichen Personalentscheidung für Aufsehen gesorgt: Anstatt wie so oft in erster Linie jüngere Mitarbeiter zu fördern und zu bevorzugen, stellt er nur noch Menschen, die über 60 Jahre alt sind, für einen bestimmten Bereich seines Betriebs ein.
Jungen Mitarbeitern fehle es oft an Tatkraft
Für Roberto Brazzale steht fest: Vielen jungen Mitarbeitern fehlt es an Tatkraft und Energie. Das ging zumindest aus einem von ihm durchgeführten Bewerbungsprozess hervor, bei dem letztendlich nur acht Personen im Alter von über 60 Jahren die Jobs erhielten.
„Für mich sind sie alle irgendwie jung, denn das Alter ist im Vergleich zum Enthusiasmus und der Energie, die man auch im Alter von über 60 haben kann, unwichtig“, so Brazzale in einem Interview.
Die meisten seiner neuen Mitarbeiter sind dabei alte Bekannte und Freunde, die sich entweder aus ihrer Schulzeit oder von der zentralen Piazza der 6.000-Einwohner-Gemeinde Zanè in Venetien kennen. Genau dort ist das Molkerei-Unternehmen Brazzale auch ansässig.
Demografischer Wandel macht Italien Probleme
Obwohl es auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen mag, hat die Entscheidung Brazzales einen ernsten Hintergrund. Der demografische Wandel belastet Italien und die Bevölkerungszahl schrumpft.
Aktuelle Daten der Statistikbehörde Istat zeigen, dass die Geburtenrate erstmals seit dem 19. Jahrhundert unter die Schwelle von 400.000 gefallen ist und im Jahr 2022 nur noch knapp 393.000 beträgt. Das traditionelle Bild einer kinderreichen Familie hat in Italien längst an Bedeutung verloren. Die Bevölkerung wird immer älter.
Das Durchschnittsalter in Italien betrug im Jahr 2022 rund 47,3 Jahre. Bis zum Jahr 2050 wird sich der Altersdurchschnitt der italienischen Bevölkerung laut Prognose auf rund 53,4 Jahre erhöhen.
Bevölkerung wird immer älter
Die Zahlen von Istat zeigen deutlich: Es gibt sieben Neugeborene, aber mehr als zwölf Todesfälle pro 1.000 Einwohner. Dieser Trend wird langfristig die Wirtschaft stark belasten. Die italienische Bevölkerungszahl ist seit 2014 stetig zurückgegangen und hat die Marke von 60 Millionen Menschen inzwischen unterschritten. Die Auswirkungen sind bereits in Schulen und Kindergärten spürbar, wo es immer weniger Kinder gibt. Der Bildungsminister warnte davor, dass die Schülerzahl im nächsten Jahrzehnt um eine Million zurückgehen könnte.
Italien hat eigene Geburtenministerin
Selbst Papst Franziskus hat sich über die niedrige Geburtenrate in Italien und ganz Europa mehrfach besorgt gezeigt. Er kritisierte vor kurzem eine Kultur, die Haustiere über menschliche Kinder stellt. Franziskus erwähnte eine Frau, die ihren Hund als ihr „Baby“ segnen lassen wollte. Tatsächlich ist Italien bekannt als Land der Haustiere. Auch die rechte Regierung Italiens ist besorgt über das Problem und hat seit über einem Jahr eine sogenannte „Geburtenministerin“ eingesetzt.
Brazzale setzt ein wichtiges Zeichen
Die demografischen Entwicklungen und die damit verbundenen Prognosen bereiten Roberto Brazzale als Unternehmer große Sorgen. Zudem stellt er fest, dass sich das Selbstverständnis der Älteren verändert habe. „Es gibt ein Vorurteil, dass man mit 60 nichts mehr zu bieten hat oder sogar nur noch in Rente gehen will. Das stimmt nicht.“ Die heutigen 60-Jährigen seien seiner Ansicht nach die neuen 40-Jährigen.
Und genau deshalb will er mit seinem Projekt, ältere Menschen zu beschäftigen, auch ein wichtiges Zeichen setzen und für Angestellte im Alter von 60+ plädieren.
Wie es in einigen Jahren weitergehen soll, wenn viele seiner Mitarbeiter in den Ruhestand gehen? Darüber mache sich Brazzale zwar Gedanken, im Fokus stehe aber das Hier und Jetzt. Und da seien die Mitarbeiter einfach „bravissimi“.
