Qualifyze möchte Lieferengpässe bei Arzneimitteln vermeiden
In Deutschland sind viele Patienten damit konfrontiert, auf wichtige Medikamente wie fiebersenkende Säfte für Kinder, Antibiotika und Krebsmittel warten zu müssen. Der Grund? Lieferengpässe. Das deutsche Start-up Qualifyze will dies verhindern.
Obwohl die breite Öffentlichkeit normalerweise kein Interesse daran zeigt, wie gut die Lieferketten für Arzneimittel funktionieren, wird die Bedeutung dieses Themas spätestens dann klar, wenn bestimmte Medikamente, wie aktuell, nicht oder nur sehr schwer verfügbar sind.
Qualifyze analysiert Arzneimittellieferketten
David Schneider widmet sich täglich der Analyse von Arzneimittellieferketten. Sein gegründetes Start-up, Qualifyze, prüft, ob die Unternehmen, die in der Lieferkette eines Pharmaunternehmens involviert sind, die gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätsstandards erfüllen. Dabei werden nicht nur die Herkunft der Rohstoffe und die Zusammensetzung der Wirkstoffe überprüft, sondern auch Aspekte wie die ordnungsgemäße Reinigung der Produktionsmaschinen, die Einhaltung von Hygienevorschriften, Schulungen der Mitarbeiter sowie die Qualität von Verpackungs- und Logistikleistungen.
Der Gründer, David Schneider, der einen Abschluss in Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik hat, startete das Unternehmen im Jahr 2017 unter dem Namen „Chemsquare“ in Zusammenarbeit mit dem Maschinenbauer Florian Hildebrand, der mittlerweile CEO des Start-ups Greenlyte Carbon Technologies ist.
Ursprünglich wollte Schneider eine Onlineplattform für den Handel mit Chemikalien schaffen, aber das Angebot wurde in der Branche kaum genutzt. Nach einem zweiten Versuch entwickelten die Gründer eine Auditplattform für die Pharmabranche.
Qualitätsüberprüfung durch Vor-Ort-Audits
In der Pharmaindustrie müssen Unternehmen regelmäßig sicherstellen, dass ihre Lieferanten die gesetzlichen Qualitätsanforderungen erfüllen. Bisher führen die meisten Unternehmen diese Prüfungen intern durch, was laut Schneider ineffizient ist. Er betont, dass es weltweit akzeptierte regulatorische Standards gibt, die festlegen, wie diese Anforderungen entlang der Lieferkette aussehen sollen.
Chemsquare, 2020 in Qualifyze umbenannt, führt die Qualitätsüberprüfung der Lieferanten für Kunden durch Vor-Ort-Audits durch. Wenn ein anderes Pharmaunternehmen denselben Lieferanten überprüfen muss, bietet Qualifyze an, anstelle eines neuen Audits den direkten Zugang zu den bereits gesammelten Daten zu ermöglichen. Mit Zustimmung des Lieferanten.
Erhebliche Zeit- und Kostenersparnisse
Insgesamt ermögliche das Angebot von Qualifyze den Kunden, Pharmaunternehmen, erhebliche Zeit- und Kostenersparnisse. Dies resultiere insbesondere aus der Tatsache, dass einige Prüfungen, insbesondere diejenigen von Zulieferunternehmen in Asien, mehrere Tage in Anspruch nehmen können.
CEO Schneider gibt an, dass ein eigenständig durchgeführtes Lieferantenaudit durch Pharmaunternehmen je nach Aufwand zwischen 4.000 und 15.000 Euro kostet. Durch die Wiederverwendung von bereits erhobenen Daten könne Qualifyze diese Dienstleistung deutlich kostengünstiger anbieten.
Die Mission von David Schneider ist es, die Lieferketten der Pharmabranche effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Darüber hinaus strebe Qualifyze mit seinem Angebot an, zur Sicherheit in der Lieferkette beizutragen. Beispiele für Lieferengpässe aufgrund von Qualitätsproblemen, wie etwa verunreinigte Substanzen in blutdrucksenkenden Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Valsartan vor fünf Jahren, sollen vermieden werden.
Risikovorhersage dank Auditdaten – Investoren begeistert
Qualifyze behauptet, aufgrund der Fülle an vorhandenen Auditdaten in der Lage zu sein, Risiken vorherzusagen. Dies sei nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch für die Lieferanten von großem Wert.
Zahlreiche Investoren zeigten sich von der Geschäftsidee bereits überzeugt, wobei Cherry Ventures die Seed-Finanzierung 2019 anführte und HV Capital die Series-A-Runde im Jahr 2021 mit 14 Millionen Dollar leitete. Im August 2023 konnte das Frankfurter Start-up die Series-A-Runde um weitere zwölf Millionen Dollar erweitern, wobei es auf eine Bewertung von rund 100 Millionen Dollar geschätzt wird.
Steigende Kundenbase und hohe Wachstumsraten prognostiziert
Die Kundenbasis von Qualifyze wächst stetig, was laut Felix Klühr von HV Capital darauf hindeutet, dass das Unternehmen das Vertrauen von Pharmaunternehmen und Lieferanten gewonnen hat. Neue gesetzliche Vorschriften wie das Lieferkettengesetz geben dem Geschäftsmodell von Qualifyze zusätzlichen Auftrieb, da Unternehmen nun auch für die Einhaltung von Menschenrechten in globalen Lieferketten verantwortlich sind. Mittlerweile beschäftigt Qualifyze 130 Mitarbeiter und bei den Vor-Ort-Prüfungen sind über 200 freiberufliche Auditoren im Einsatz.
Für die nächsten Jahre strebt Qualifyze weiterhin hohe Wachstumsraten an und plant, einen Umsatz von 10 bis 15 Millionen Euro in diesem Jahr zu erzielen, wobei eine Verdopplung des Umsatzes in den kommenden Jahren angestrebt wird. Die Gewinnzone soll im Jahr 2025 erreicht werden. Laut HV-Capital-Partner Klühr sieht das Unternehmen derzeit keine ernsthaften Wettbewerber, da es durch eine breite Basis von Lieferanten gut positioniert ist.